Wer die Videos von Liebscher&Bracht kennt wird sicher seine Logik des „an die 10 gehen“ kennen. D. h. wir gehen nicht an unser Limit, sondern bleiben kurz davor, also kurz bevor etwas anfängt zu schmerzen oder zu sehr zu spannen, sind aber durchaus in einer gewissen Energie, die über der normalen Aufwandsvermeidung liegt. Diesen Wert nennt er dann gerne 9 oder 9,5.
Diese Logik können wir uns auch im Natürlichen Laufen zunutze machen, denn es ist genau diese Balance in die wir finden müssen, damit unser Laufen kein Kampf und Krampf, aber auch kein Joggen bleibt. Es soll ja schließlich ein Laufen sein.
Bei einigen längeren Läufen die letzten Tage fällt mir deutlich auf, daß diese 9,5 sich ganz unterschiedlich anfühlen kann. Manchmal, wenn es z. B. bergab geht, oder der Körper nach ein paar Kilometern bereits im Lauffluß ist, kann sich diese 9,5 in sehr schnellem, agilem Laufen äußern.
Manchmal, wenn es bergauf geht, oder wenn sich der Körper einfach noch nicht ganz im Fluß, eher träge und matt anfühlt, dann zeigt sich die 9,5 eher in langsamerem Tempo, was aber kein Problem ist. Wichtig ist, daß wir dann trotzdem, Schritt für Schritt weitermachen.
Auch konnte ich manchmal feststellen, daß ich in meinem Laufen eher auf 7 oder 8 bin, und dann gemerkt habe, daß da eigentlich noch viel mehr geht.
Ich finde diese Idee mit den Zahlen insbesondere hilfreich, weil so auch die Selbstschinderei aufhört, die bei vielen Läufern und Joggern zu sehen ist. Wer ständig meint, über die 10 zu müssen, sich quasi wie der Jockey das Pferd anzupeitschen, der verdirbt sich auf Dauer jegliche Freude am Laufen.
Es ist sicher Ok experimentell oder wenn einem danach ist, auch seine Grenze auszutesten, aber im Kern müssen wir uns nicht quälen, denn Laufen an sich ist des Menschen natürlichste Fortbewegungsart (siehe hierzu auch „Born to run“ von Christopher McDougall). Wenn etwas quält, dann haben wir uns den Sinn und Zweck des Laufens noch nicht wirklich verdeutlicht.
Laufen ist etwas viel zu Schönes, Ästhetisches, und hat solch eine ungemein belebende, befreiende Wirkung, so daß es viel zu schade ist, wenn wir uns das selber so kaputtmachen. Das heißt nicht, daß es immer leicht ist, denn wie schon erwähnt, hat man vielleicht hier und da auch mal Tage oder Momente, wo es einfach körperlich nicht ganz so flüssig geht. Das wird definitiv jedem so gehen, der sich jetzt neu mit meinem Ansatz versucht. Solange die Grenze aber nicht ganz erreicht wird, solange wir sie vielleicht schon kurzzeitig spüren, dann aber knapp unter ihr bleiben, wird das Laufen die reinste Wohltat, nicht nur für unseren Körper, sondern für unser gesamtes Gemüt.