Nur-Laufen

Heute ist der 26. Tag hintereinander, an dem ich mindestens vier Kilometer laufe. Es ist für mich durchaus eine neue Erfahrung, denn davor habe ich eine ähnliche Regelmäßigkeit nur mit einer Mindeststrecke von etwa zwei Kilometern durchführen können.

Das Interessante ist, daß es für mich hierbei nicht um einen Fitneßeffekt (muskulöser, schneller werden), Abnehmen, Disziplin an sich oder sonst wie eine Challenge oder Ziel geht, sondern es hat schlichtweg damit zu tun, zu merken, was mich im Moment wirklich zufrieden stimmt, und was nicht.

Unter dem Aspekt ist daher auch kein Selbstzwang nötig, da die Belohnung, die ich jedes mal verspüre, wenn ich draußen bin und in Fluß komme, bereits in sich schon mehr als genug ist.

Es ist wie ein Nachhause-Kommen, ganz egal wo ich bin, mit wem ich bin, wie die Umgebung ist, wie die Welt ist, es ist alles nur Kulisse, gar nicht so wichtig, wie normal immer angenommen. Beim Laufen schimmert durch, wie sich die Dinge wirklich zeigen: Daß ich ganz alleine mit mir zu tun habe, meinem Empfinden, meinen Gedanken in dem Moment.

Besonders in meiner jetzigen Lebensumgebung wird mir das klar, die auf dem Land oft ohne eine Menschenseele umgeben von Feldern und Wiesen sehr verlassen und trostlos wirkt. Genau da merke ich stark, daß ich wirklich nur mit mir alleine zu tun habe, weil da ansonsten nicht viel los ist in der Welt. So verhält es sich aber auch (wenn nicht noch stärker!), wenn ich in der Stadt laufen würde: Mit den anderen Leuten habe ich genauso wenig zu schaffen. Beim Laufen wird das sehr deutlich, weil sie für mich alle an mir vorüberziehen und wieder verschwinden.

So betrachtet ist Laufen nicht einfach „nur Laufen“, sondern fast schon Basis einer neuen spirituellen Praxis, die nicht wie das Zazen einfach auf „Nur-Sitzen“ beruht, sondern eben auf „Nur-Laufen“, welches auf seine Weise offenbart und den Erkenntnisprozeß unterstützt, in welchem Verhältnis ich eigentlich zur Welt stehe.